Wagner, Craig und Zappa – Geoffrey Farmer lässt im Zürcher Migros Museum für Gegenwartskunst die Puppen tanzen und kommt dabei nicht recht in Tritt.
Welche Hingabe, welcher Fleiß, welcher Augenschmaus: Geoffrey Farmers Schnitt-puppenparade „Leaves of Grass“, 2012, holte das Publikum auf der dOCUMENTA 13 von der naiven Seite ab: Hunderte Figuren des öffentlichen Lebens waren aus Nummern der U.S.-amerikanischen Nachrichtenillustrierten Life aus den Jahrgängen 1935 – 85 ausgeschnitten und an Stöckchen auf ein meterlanges Brett gesteckt worden. So konnte der Besucher auf Kopfhöhe an gefühlten Geschichtskilometern vorbei ein Pandämonium des 20. Jahrhunderts erleben, das nicht von ungefähr an asiatische Rollbilder oder Totentanz- und Triumphbilder der Renaissance erinnerte. Denn fragte man nach dem Sinn der Arbeit, blieb wenig mehr übrig, als die dumpfe These, dass sich die Ereignisse auf die bloße Abfolge schwarz-weißer Pappkameraden nivellieren ließen. Diese verdichteten sich zwar auf ihrem Bühnenbrett ab und an zu netten Clustern mit Wiedererkennungswert, wurden darin aber kaum aussagekräftiger und es blieb der schale Geschmack des Immer-Gleichen. Dass die Parade auch medienkritisch gelesen werden konnte, erhöhte ihren Mehrwert nicht. Sicher reduzierte schon das analoge Zeitalter Geschichte auf Bildausschnitte. Doch Farmers Arbeit reproduziert das Kritisierte, indem er auf Bilderflut und Reizüberflutung setzte.
Geschichtsschreibung und monumentale Reizüberflutung stellt auch den Rahmen der jüngsten Arbeit des sechsundvierzigjährigen Kanadiers im Zürcher Migros Museum für Gegenwartskunst „Let´s Make the Water Turn Black“. Sollte Zürich zum Wagnerjahr noch einen Beitrag der bildenden Kunst erwarten, so könnte Farmers aufwändige Installation im Löwenbräuareal ohne große Umstände dafür gehalten werden. Zwar heißt Farmers musikalische Referenzgröße nicht Wagner, sondern Frank Zappa. Doch sein Überwältigungstheater steht dem Leipziger Großkünstler auf den ersten Blick näher als dem kalifornischen Rock-Experimentalisten. Nun bevölkern im Migros Museum statt der Zeitungsfiguren einige dutzend bewegte Skulpturen, computergesteuerte Assemblagen aus Alltagsgegenständen eine niedere Bühne, ausgestattet mit Lautsprechern, die in einer mehrstündigen Soundcollage Ton- und Musikfetzen aus den Jugendjahren des Amerikaners zum besten geben. Zappas Biografie habe Anregung und Leitfaden für die Inszenierung gegeben, die in kommender Zeit um weitere Stationen ergänzt und vervollständigt werden soll. Mechanisch spult sich im Halbdunkel das Programm vor den Augen des erstaunten Betrachters ab, als hätte man es mit einer Realisierung Edward Gordon Craigs Über-Marionette zu tun, die bar jeder menschlichen Unzulänglichkeit Eigenleben und performative Perfektion erreicht. Es verwundert daher nicht, dass in Zürich niemand außer den Automaten auf den Brettern steht, dass das Publikum hier weder eingreifen, noch die niedere Bühne betreten darf.
Das bewegte Black-Box-Spiel kann durchaus erfreuen, auch wenn es weder die politische Schärfe eines Ed Kienholz, noch die spielerische Kraft eines Jean Tinguely erreicht – zwei weitere Positionen, denen sich Farmer verpflichtet sehen kann. Doch auch bei „Let´s Make the Water Turn Black“, erfährt der Betrachter nichts, was über den Oberflächenreiz hinausweist.