Wer die wunderbare Einladungs-Wurstkarte zu „Anfang und Ende“ gestaltet hat, ist durch die Karte selbst nicht überliefert. Das hat Prinzip: Sie lädt noch bis zum 30. Juni zu einer Gemeinschaftsausstellung der Künstler Niklaus Schärer, Davix, Theo Schärer, Max Christian Gräff und R. M. E. Streuf. Man wollte zwar die Urheberschaft der Karte gerne dem Wuppertaler Urgestein Streuf zuschreiben, doch im Sinn einer künstlerischen Geistgemeinschaft, die sich hier im entlegenen Winkel Luzerns zu manifestieren sucht, könnte diese ebenso jedem anderen Mitglied des Artistensextetts unterschoben werden. Dass diese Schau mit gut 30 Arbeiten in klassischen Formaten von der Skulptur über Collagen bis zur Fotografie den Titel „Anfang und Ende. Kunst“ trägt, passt dabei ebenso, wie die Wurst auf der Bildseite.
Erbswurst – Auf ihr ist nun eine veritable Maggi-Erbswurst-Rolle mit aller Finesse der modernen Produktfotografie in ihrer bonbonähnlichen Verpackung auf cremefarbenem Grund abgelichtet. Es handelt sich bei dem abgebildeten Objekt also um eine Wurst-Ration, die keine ist, ein Ding also, das vorgibt, etwas zu sein, was es nicht ist, ein Täuschungsmanöver also, weil das Ding, die „Wurst“ eine fleischfreie Erbswurst ist, wie sie seit dem Krieg 1870/71 als „Eiserne Ration“ den Landser zum Weitermachen, Durchhalten, Durchwursten und Siegen anhalten und in ihrem Design von 1889 bis heute – ein Klassiker also –Sieges- und Esslaune vermitteln sollte, obwohl sie auch an der Somme und in Stalingrad im Tornister war.
Ästhetik – Doch weil sich an der Wurst jenseits historischer Untiefen an jedem Zipfel auch philosophische auftun, unter anderem jene Untiefe, die mit der Frage nach dem „Anfang und Ende“ verbunden ist, spielt man hier ästhetisch sowohl auf den Oberverwurster Dieter Roth an, als auch, da es sich beim Inhalt der Erbswurst nicht, wie man naiv glauben könnte, um die gesammelten Werke von Peter Sloterdijk handelt, sondern um ein billiges Industrieprodukt auf Gemüsebasis, auf den Urdenker modernstischer Kunst Marcel Duchamp.
Eschatologie – Bleibt also neben der dadaistisch ästhetischen, die eschatologische Dimension des Werks zu betrachten, das manifestative Wort vom Anfang und Ende, das sich in der Offenbarung des Johannes in dem bekannten Satz spiegelt: „Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.“ Da geht es darum, Avantgarde zu sein, Epoche zu machen und zwar für Äonen. Doch in Luzern muss man vom einen bis zum anderen Zipfel die Erbswurst dafür nehmen, das A und O, das heißt die Erbswurst als den Zündbolzen, der das alles mal in die Luft haut. Einige Arbeiten in der Luzerner Kellergasse taugen ohne Zweifel, Lunte an das Geschoss zu legen.
Anfang und Ende. Kunst, Kunstraum, Kellerstrasse 25, 6005 Luzern, bis 30. 06. 2013