Jana Euler »Where the Energy Comes From« in der Kunsthalle Zürich

P1200475„Where the Energie Comes From“ oder „Wo die Energie herkommt,” – wer Eindeutiges hinter dem Titel der ersten großen institutionellen Einzelausstellung der jungen, 1982 im hessischen Friedberg geborenen, an der Städelschule in Frankfurt a. M. ausgebildeten deutschen Künstlerin mit Wohnsitz in Brüssel Jana Euler erwartet, wird überraschend deutlich zufrieden gestellt: Die Energie kommt aus der Steckdose. Das insinuieren zumindest die drei großdimensionierten Air-brush-Bilder „Where the energy comes from (1 – 3)“ (2014), die im zweiten Saal Eulers Ausstellung im Obergeschoss der Zürcher Kunsthalle auf 210 x 210 cm drei verschiedene europäische Elektrosteckdosentypen präsentieren.

Der Titel der Ausstellung und der Bilder alludiert im Verein mit ihrem Gegenstand, den Strombuchsen, nicht zufällig den polemischen Slogan der Anti-Atomkraft-Bewegung der 1970er-Jahre: „Unser Strom kommt aus der Steckdose!“ Das hat formale und inhaltliche Gründe. Denn ebenso wie die Bürgerbewegung der 1970er-Jahre mit ihrem ironischen Spruch auf die Widersprüche und den Zynismus der Atomlobby aufmerksam machen wollte, verweigert Eulers Ausstellungs-Display in seiner scheinbaren Eindeutigkeit eindeutige Antworten. Nicht nur dass drei Bilder „Where the energy comes from“ unterschiedliche Steckverbindungen zeigen, eine deutsche, eine belgische, die Trippelbuchse aus der Schweiz, also ein Gerät ohne Adapter, nur aus einer Buchse Strom beziehen könnte, aus den anderen jedoch nicht. Es gibt im Saal 2 noch andere Angebote. So zieht sich der Schriftzug „Where the energy comes from“ als monumentale, illusionistische, raumbildende Parole an der Nordwand der Ausstellung vom zweiten in den ersten Saal, Erinnerung an den Konzeptualismus Lawrence Weiners und Appell an den Besucher, die Energie in der eigenen Einbildungskraft zu suchen.

Im krassen Gegensatz zu den realistischen Air-brush-Bildern steht im zweiten Saal das 210 x 280 cm große Landschaftsbild „Untitled“ (2014). Pastos und in leuchtenden Öl-Farben wird eine sentimentale Alpenlandschaft mit grünem Himmel, rosa Bergen, blauen Bäumen und einem gelb-schäumenden Wildbach angeboten. Auch hier ist Energie. Das lässt sich vor Eulers ironisierendem Angebot auf zwei Ebenen verhandeln: Man kann zum Einen ironisch-ikonografisch, wenn nicht an einen Staudamm im Hochgebirge, der die ganze Schweiz mit Strom versorgt, so doch wenigstens an ein Mühlrad denken. Oder man deutet ironisch-ikonologisch den immerquellenden Bach als den lebenserhaltenden Quell der Malerei, das gefällige Bild als Allegorie auf eine erlösungsheischende Kunst. Beide Deutungen haben in der Arbeit der Künstlerin Platz, auch wenn sie durch diese auf der Stelle wieder dementiert werden.

Und was sagt die Skulptur „Socketing in the digital age 2“ (2014) im Verein mit dem Schriftzug und den vier Bildern? Eine weiße Figur aus Kunstharz, Ton und Schaumstoff liegt bauchunten auf dem Boden, hebt den gesichtslosen, schmalen Kopf und den Arm, der dem Betrachter ein Kabel und eine Strombuchse entgegenhält. Sie scheint bedürftig. Was also heißt, „im digitalen Zeitalter Anschluss bekommen“? Die Skulptur „Socketing in the digital age 2“ gibt weniger eine Antwort auf die angerissene Frage, woher die Energie nun kommen möge, sondern dient im Spiel der Künstlerin als Relais, fragt, was mit dem Term „Energie“ überhaupt gemeint sein könnte. Die Frage was „Energie“ bedeute, geht für Jana Euler zweifellos über das Mechanisch-Physikalische bis ins Politische hinaus.

Man kann ihr Selbstportrait a la Duchamp „Nude climbing up the stairs“ (2014) zum Auftakt ihrer Ausstellung ebenso als nüchterne Visualisierung körperlicher Arbeit, als auch als angestrengter Akt, der sich in die Kunstgeschichte einschreibt, lesen. Dabei hat physische Kraft bei Euler zuerst mit Reibung, dem Austausch von Körpersäften zu tun. Die Galerie von Männerportraits mit einem Affen, dem die phallische Besetzung ins Gesicht geschrieben ist („Human Size“, 2014), und markierten Betrachter-Standpunkten vor jedem Bild im dritten und letzten Saal sprechen davon. Das Ölbild „Analysemonster“ (2013) oder die zwei Ölbilder „Talking about love“ (2014) im ersten Saal erscheinen derart sexualisiert, dass man bei Eulers Steckdosen nebenan an weibliche Geschlechtsteile zu denken genötigt ist. Dass das einzelne Werk hinter den intellektuellen Rahmen zurückfällt, hat Methode. Sie kann sich auf Picabia, Kippenberger, Polke berufen. Nicht das einzelne Meisterwerk, der begehbare Set an originären Bildfindungen zählt. Erst in der Gesamtlektüre, nicht im einzigen Wort oder Buchstabe scheint auf, wie der Besucher, „socketing in the digital age“, Anschluss an das digitale Heute erhält.

Man hat Eulers Arbeit vor kurzem unter das Label „network painting“ gebracht, Malerei also, die über Kunst und ihren Betrieb im Zeitalter sozialer Netzwerke reflektiert. Mit „Where the energy comes from“ in der Kunsthalle Zürich geht Jana Euler einen Schritt weiter. Sie markiert mit der Anti-AKW-Bewegung als lebendiges politisches Netzwerk einen historischen Auftrag, der gesellschaftlich relevante Handlungsformate an die Nachgeborenen weitergibt. Dass sie dies ausgerechnet in der einstigen Bundeshauptstadt Bonn noch einmal zeigen kann, darf als glücklicher Zufall gewertet werden.

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Die Ausstellung geht vom 6.12.2014 – 1.03.2015 in den Kunstverein Bonn. Der Text erschien zuerst in Kunstforum International Bd. 229

http://www.kunstforum.de

Über Max_Glauner

Lecturer, Researcher, Autor & Cultural Journalist Zürich | Berlin
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