Kulturkolonialismus und Politfolklore die Zweite

Nach der Eröffnung in Athen setzt die documenta 14 auch in Kassel auf partizipative und performative Formate. Auf welche Weise und warum? Ein Erklärungsversuch

I. – Das war ein kluger Schachzug. „The Parthenon of Books“ (2017) der Argentinierin Marta Minujín mag in seiner Machart nicht jedem befriedigend erscheinen. Doch erfüllte er schon vor der Eröffnung der documenta 14 in Kassel alle Kriterien für eine Landmark der Sonderklasse. Denn der „Parthenon“ steht, prominent vor dem Museum Fridericianum auf dem Friedrichsplatz platziert, schon durch seine schiere Größe wie kein anderes Kunstwerk ikonisch für die neueste Ausgabe der Kassler Documenta. Damit steht das Kunstwerk auch wie eine bildliche Klammer für die Austragungsorte Kassel und Athen, für das griechisch-hellenische Erbe, seine klassizistische Transformation, der Fortführung des humanistischen Erbes bis heute und seine Bedrohung durch autoritäre Regime. Auf dem Friedrichplatz hatte 1933 die Bücherverbrennung stattgefunden.

Bereits 1983 unmittelbar nach der Argentinischen Militärdiktatur hatte die Künstlerin „El Partenón de libros“, ihren „Parthenon der Bücher“ in einer kleineren dem Athener Haupttempel auf der Akropolis maßstabsgetreu nachempfunden Version in Buenos Aires errichtet. An einem Gerüst aus Eisenstangen, das am Sockel von einer Seite von zwei Kränen angehoben wurde, befestigte sie eine Unzahl von Büchern, die während der Diktatur verboten waren. Nun sollen in Kassel 100.000 ehemals verbotene oder noch verbotene Bücher mit Plastikfolien an Säulen und Gebälk der monumentalen, in der Nacht magisch beleuchteten Konstruktion befestig werden. Noch fehlen gut 40.000 Titel, die bis zum Ende der documenta und dem Abbau von Minujíns Kunstwerk zusammen kommen sollen.

Doch gerade in diesem Mangel besteht die Stärke des Monuments. Denn es steht nicht nur für die documenta 14 selbst sondern verweist auf deren Programmatik von Teilhabe und Performativität. Schon lange vor Eröffnung war der Aufruf an die Kassler und ihre Gäste ergangen, Bücher für den „Parthenon“ zu spenden, ein Aufruf der gerne befolgt wurde und weiterhin befolgt wird. Es ist ein Kunstwerk entstanden, das zur größeren Nähe nicht nur betreten werden kann, sondern das durch die Spenden Bindungen und Verbindlichkeiten herstellt, aus einem potenziellen Publikum Beteiligte macht.

P1420616II. – Ein vierfaches Dilemma. Minujíns „Parthenon“ ist ein Bau an dem noch gebaut wird und an dem wir mitbauen sollen. Von daher ist es nicht überspannt, ihn auch als ein Monument der Performativität und Partizipation zu deuten, wesentliche Aspekte, die zum Core-business dieser documenta 14 gehören. Dabei steht der Veranstalter wie das Publikum vor einem vierfachen Dilemma: Erstens, Performances und Aufführung können mit ihrer Präsenz zu einem intensiveren Wahrnehmungs- und Erlebnischarakter der Veranstaltung beitragen und sie befriedigen in der Selfie-Gesellschaft das immer größer werdende Bedürfnis nach einmaligen Live-Events. Es war kein Zufall, dass der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der Präsident Griechenlands Prokopis Pavlopoulos sich beim offiziellen Fototermin zur Eröffnung der dokumenta 14 in der „Blut-Mühle“ (2017) von Antonio Vega Macotela ablichten ließen. Der Mexikaner, Jahrgang 1979, hat aus Stahl, Holz und Glas einen echten Hingucker in die Karlsaue vor die Orangerie gebaut, einen gewaltigen Holzmechanismus, der von den Besuchern in einer begehbaren Bühne über eine Achse mit vier schweren Stangen in Bewegung gesetzt werden kann, und in einer darüber liegenden Plattform in einem symmetrisch angeordneten Räderwerk krachend und quietschend ins Leere läuft. Das Ungetüm soll dereinst in Minen Südamerikas im Einsatz gewesen sein, um unter grausamen Bedingungen Erz zu schürfen. Doch als hätte es einem gotischen Dombaumeister als Hebelmaschine gedient, ist ihm diese ursprüngliche Funktion nicht anzusehen. Hier eignet es sich bestens als fotogene präsidiale Kulisse und Hintergrund fürs private Foto zur Beglaubigung des Live-Ereignisses.

Stellt der Veranstalter seinem Publikum solche Features zur Verfügung delegiert er die Performance an die Besucher, wobei dieser wie bei Macotela nicht etwa wie häufig bei performativen Formaten unterstellt eine größere Beteiligung oder Freiheit in seiner Rezeption erlebt, sondern und hier legt das zweite Dilemma in der Orchestrierung seiner Handlungen eine Einschränkung seiner Wahrnehmung und analytischen Fähigkeiten erfährt.

Das dritte Dilemma liegt darin, dass Performances obschon zeitlich begrenzt durch die Präsenz der Künstler und deren Honorare kostenintensiv sind. Auch wenn über die 100 Tage eine Reihe von Live-Events angeboten werden, wird es Zeitfenster geben, wo einige zu sehn sind und andere nicht. So war die Arbeit der Haitianerin Kettly Noël „Errance (Umherirren)“ (2017), eine Tanzperformance in den Henschel-Hallen nicht zu sehen, obwohl ihre surreale Performance mit Puppen und BambusstangenZombification (2017) im Athener Konservatorium prominent in den ersten Tagen gezeigt wurde. Aber auch die Performance der Schweiz-Griechin Alexandra Bachzetsis, die mit dem 2-Kanal-Video „Studies for Massacre“ (2017) in der Documenta-Halle präsent ist, war, wie eine Aufführung der Performance „Check Point Sekondi Loco. 1901-2030. 2016-2017“ (2017) des Ghanaers Ibrahim Mahama in den Henschelhallen in der Eröffnungswoche nicht zu sehen.

Das vierte und triftigste Dilemma hängt mit dem dritten eng zusammen, aber liegt im Wesen der Performance selbst begründet: Sie stellt in der Regel ein einmaliges, nicht wiederholbares Ereignis dar. Viele Künstler wehren sich gegen die Forderung aus dem Theaterbetrieb, dieses Ereignis müsse wiederholbar sein. Für diese Künstler wäre Wiederholbarkeit ein Verrat an der Sache, an der Originalität und Einmaligkeit des Kunstereignisses. Auch von daher wäre keiner in der Lage, alle und jedes Happening, jeden Event wahrzunehmen.

So wird für jeden jeder Tag ein besonderer. Mit den zeitgebundenen Künsten individualisiert sich das Kunstereignis und präsentiert sich in einem zeitgebundenen Format. Die documenta 14 bewegt sich gleichsam im permanenten Beta-Modus, trägt dergestalt selbst den Index des Performativen einer dauernden doch ständig mutierenden Performance, die jeder Besucher als sein customized Event abbuchen und mit Credit im Social-Network präsentieren kann. Allein an den Preview- und Eröffnungstagen waren wie in Athen zwischen zwanzig bis dreißig Veranstaltungen, Aufführungen, Performances und interaktive Events zu verzeichnen, ein Überforderungs- und Überbietungsprogramm, das es selbst dem geübten Theater- und Kunstgänger unmöglich machte alles im Blick zu haben.

III. – Experten- und Laienmeinungen. Dem Experten stand nun plötzlich der interessierte Laie als Modell des idealen Rezipienten gegenüber, mit dem die persönliche Erfahrung und das individuelle Narrativ in Position gebracht wird. Doch ist diese als Novität präsentierte Wachablösung nicht ihrerseits naiv und dem Zeitgeist geschuldet? Denn gleichgültig ob Expertentum oder Laienmeinung, jede Kunsterfahrung bedarf der kritischen Bestandsaufnahme und Analyse, will sie nicht blind und teilnahmslos in einem meinenden Ungefähr stecken bleiben. Sicher ist dem Betrachter etwas entgangen, wenn er Ibrahim Mahamas kurze Performance auf dem Syntagma-Platz in Athen nicht gesehen hat. Der Ghanaer, Jahrgang 1987 ließ dort mit Flüchtlingen und Passanten einen Nachmittag lang Kohlesäcke vernähen, die nun mit anderem dunkelgetöntem Material die klassizistischen Torhäuser an der Kassler Wilhelmshöher Allee zum Eingang in die Stadt verhüllen. Es ist eine der beeindruckendsten Arbeiten der documenta 14. Und sie ist unmittelbar und ohne die sie begleitenden Performances zugänglich, denn die Torhäuser inszenieren sich in ihrer Verhüllung wie Monster, die in ihrer Monstrosität die Angst vor dem Fremden und damit die missglückte apotropäische Abwehr des Unheimlichen da draußen als das Heimliche in einem Drinnen heraufbeschwören. Diesen Trigger bedient auch, ein zweiter documenta-Künstler aus Westafrika, der Nigerianer und Wahlberliner Emeka Ogboh. Er lanciert das „Sufferhead Original“-Beer, wie andere Künstler vor ihm, als hippes Getränk. Unter anderem durch Werbe-Plakate auf Litfaßsäulen und in Radioannoncen. Sein Slogan: „Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann“. Die ironische Botschaft versteht auch, wer nicht in Athen war und dort seine ebenso beeindruckende Arbeit „The Way Earthly Things Are Going“ (2017) gesehen hat, die im Rohbau des Theaters des Konservatoriums Börsenkurse mit A-Kapella-Gesängen konfrontierte. Auch die wunderbaren indigenen Masken des kurz vor Eröffnung der documenta in Athen verstorbenen indianischen Künstlers Beau_Dick aus West-Canada funktionieren ohne das inszenierte rituelle, im Kunstkontext automatisch folkloristisch wirkende und damit touristisch-dumme Tam Tam, das man ihnen samt vorzeitiger Rücktransporte zwecks ritueller Vernichtung nicht nur in Athen, sondern auch in Kassel angedeihen ließ. Dabei genügt es aus kunstkritischer Sicht zu sagen, dass ihre Präsentation im Athener EMST-Museum ungleich würdiger und eindrücklicher gelang als in Kassel, wo sie im Eingangsbereich der Documenta-Halle wie ein Hindernis im Weg standen.

IV.– Von Athen lernen „Von Athen lernen“, was heißt das? Bis heute behalten die Kommunikationsbeauftragten der documenta 14 hierzu den kommentierenden Zusatz „Arbeitstitel“ im Mail-Verkehr bei. Die documenta 14 als Documenta im Beta-Modus zu begreifen, drängt sich hier zweifellos erneut auf. Doch bedarf es dazu einer Reise nach Athen? Müssen wir dort die Künstler und Kunstwerke aufsuchen, um sie in Kassel besser zu verstehen und umgekehrt? Die Antwort lautet: Sicher nein und zugleich ja. Denn, wie bereits angedeutet, verschleißt sich und erschließt sich jede Arbeit der documenta wie jedes Kunstwerk aus ihrem Kontext. Dieser steht allerdings auch unter einem größeren historischen wie transnationalen ökonomisch-sozial-politischen Horizont. Dieser kann mit der Erfahrung von 2.500 Kilometern Entfernung konkret werden. Die von der Presse relativ gut gecoverte von dem britischen Konzeptkünstler Ross Birell angezettelte Kavalkade von vier Reitern auf streckenbewährten Ponys spielt darauf ebenso an, wie auf die perversen europäischen Spielregeln im transkontinentalen Reiseverkehr, der auf Liebhaber auf ihrer Grand Tour, ebenso Rücksicht zu nehmen hat wie auf Migranten, Flüchtlinge und Badetouristen.

So war die Begegnung des Rezensenten mit vier außerordentlichen, in einschlägigen Publikationen nie veröffentlichten Bronzestatuen des Nationalen Archäologischen Museums von Piräus aus dem 5. und 6. Jahrhundert von atemberaubender Natur. Er hatte sie nur entdeckt, weil vor Ort eine Tanzveranstaltung der documenta 14 stattfand. Die Macher derselben nahmen darauf keinen Bezug. Wenn wir es polemisch ausdrücken wollten: wir haben für uns zufällig etwas entdeckt, was uns ohne die documenta nicht aufgefallen wäre. Doch ignorant ihrem eigenen Motto gegenüber, hat die documenta 14 – auf jeden Fall was das antike Erbe anbelangt – nichts aber auch gar nichts von Athen gelernt.

V. – Die Eventisierung der documenta. Auch wenn die documenta 14 dies nicht klar ausspricht, gehorcht sie dem Gesetz der Eventisierung. Nach dem zählt ein noch so seltenes und kostbares Objekt nichts, wenn es nicht durch irgendeinen Zuspruch oder Zauber konsekriert würde. Daher hat sie jedem ihrer gewichtigen Austragungsorte, der Neuen Galerie, der Dokumenta-Halle, dem Fridericianum, der Neuen Neuen Galerie und den Außenposten zwischen Friedrichsplatz und Nord-Stadt jeweils mindestens eine Performance beziehungsweise eine Aufführung zugedacht. Wie in einem Allerheiligsten werden sie jeweils an einem prominenten Ort gezeigt, der, solange keine Aufführung stattfindet, für das Publikum zumindest als theatrale Installation oder gar Bühnensituation erkennbar und lesbar bleibt.

So wird in der Neuen Galerie, dem unausgesprochenen Herz dieser documenta, der gesamte linke Eingangsbereich zum Einen für eine Verkaufsperformance der nigerianischen Künstlerin Otobong Nkanga reserviert. Wie in einem mobilen Pop-up-Store bieten freundliche Hostessen, die die Künstlerin mit einem Stock und einem Tuch und runden Tragetischchen ausgestattet hat, spezielle, nach einem Rezept der Künstlerin in Athen hergestellte schwarze Seifen an. Das Angebot erinnert nicht ohne Absicht an rituelle Waschungen vor dem Betreten eines Tempels. Zum anderen findet sich im ersten Geschoß im zentralen hohen Oberlichtsaal die Installation der israelischen Konzept- und Performancekünstlerin Yael Davids „A Reading That Loves – A Physical Act“ (2017). Der Raum ist karg bestückt. An zwei Holzbalken unter der Decke hängen ein Holzrahmen und ein Hanfseil. Panzerglasplatten an die Wände gelehnt und am Boden sowie eine einfache Holztreppe mit wenigen Stufen runden das Interieur ab. Befremdlich erscheinen einzig vergrößerte Kopien von expressionistischen Zeichnungen aus der Hand der freiwillig aus dem Leben geschiedenen Künstlerin Cornelia Gurlitt (1890-1919), der Tante jenes Cornelius Gurlitt, der durch den sogenannten Schwabinger Kunstfund zu unrühmlicher Bekanntheit kam und dessen Vermächtnis die Documenta-Macher ernsthaft erwägen ließ, seine dem Kunstmuseum Bern zugeeignete Sammlung in Kassel zu präsentieren.

Zwei Mal am Tag wurde nun dieser Raum in der Eröffnungswoche von einer Gruppe Frauen in alltäglichen Kleidern um die Künstlerin herum vor einem kleinen, auf dem Boden sitzenden Publikum wie zu einer Geisterbeschwörung bespielt. Langsame Bewegungen, etwas Seilakrobatik, und vor allem der vorsichtige, da riskante Transport der Glasplatten von hier nach da, ergänzten den Vortrag von Texten aus Mikro-Ports, die von Liebe und Bindungen handelten und mit Gedichten von Elke Lasker-Schüler überblendet wurden. Das hatte seinen Reiz, auch wenn man bei dieser wie bei den meisten Veranstaltungen das Gefühl nicht los wurde, das irgendwo schon einmal gesehen zu haben. Und das konnte nicht in Athen gewesen sein. Denn außer dem Künstlerpaar Wolfgang Prinz und Michael Gholam, die in Kassel zwei Videomitschnitte ihrer Athener Tableaux vivants in der Documenta-Halle präsentierten und Live auf dem Lutherplatz auftraten, gab es, soweit der Rezensent den Überblick bewahren konnte, keinen Live-Event, der sich im Aufbau und Ablauf wiederholten.

VI. – Varianten des Performativen Es gab also wenig, was sich vom sattsam Bekannten abhob und überraschte. Zu den Bemerkenswerten zählte die Arbeit der Serbin Irena Haiduk, die rund um ihre 2015 gegründete Firma Yugoexport verschiedene Narrative realisiert hat. So kann man in der ehemaligen Essensausgabe der Kantine der Hauptpost, die jetzt von der documenta 14 als Neue Neue Galerie genutzt wird, bei Haiduk in einem weiteren Pop-up-Store „SER (Seductive Exacting Realism)“ (2015-2017) jene Arbeitsschuhe kaufen, die im ehemaligen Jugoslawien als Borosana-Schuhe für weibliche Servicekräfte entwickelt wurden. Aus tausend Paar besteht die Arbeit „Nine Hour Delay“ (2012-2058). Partizipation wird bei Haiduk groß geschrieben. Der Verkauf kommt erst nach längerer Erläuterung und dem Unterschreiben einer Urkunde zustande, in der sich der Käufer verpflichtet die Schuhe während der Arbeit immer zu tragen. Auch der Preis ist Verhandlungssache und orientiert sich am Einkommen des Käufers. Dazu inszeniert die Küstlerin unter dem Titel „Spinal Discipline“ Paraden von bis zu dreizehn blau und schwarz gekleideten jungen Frauen in „voller Yugoform“ , die jeweils ein Buch auf dem Kopf durch Kassel balancierten. Ihre knöchellangen Kleider ließen sie wie ein Schwarm Karyatiden wirken. Bemerkenswerte performative Formate finden sich zum Beispiel auch im Fridericianum im Rahmen der Präsentation des EMST bei dem Griechen Stephanos Tsivopoulos, dessen „Precarious Archive“ (2015) von drei Hostessen vorgezeigt wird oder in der Neuen Neuen Galerie, wo sich unter der Regie der Zypriotin Maria Hassabi Menschen in auffällig bunten Alltagsklamotten und silbernen Schuhen in „Staging“ (2017) unendlich langsam auf dem Boden bewegen. Auch das Setting des als „Dauerkonzert“ angekündigten Parallelevents „Social Distance“ (2017) des spanischen Performancekünstlers Mattin erschien in Kassel plausibler als in Athen : Eine Gruppe von Menschen wird in einem Raum der Documenta-Halle starkem gruppendynamischem Druck ausgesetzt und mit ihren Reaktionen gefilmt, was dort am darauffolgenden Tag über einen Screen vorgeführt wird. Das erinnert stark an die Konzeptionen eines Christian Falsnaes, bei dem die Arbeiten jedoch stringenter konzipiert sind.

Und so wäre noch von manchem zu erzählen, von den minimalistischen Handlungsmustern der Bildhauerin Marie Cool Fabio Balducci, die in der Documenta-Halle mit erhobenem Arm ungerührt ein durchsichtiges Klebe-Band entlangstreicht zum Beispiel oder von einer munteren Truppe Spanier, die in den Gottschalk-Hallen auf Münzgeld herumtanzten, oder vom U.S.-Amerikaner Rick Low, der sich wie am Athener Victoriaplatz nun in der Kassler Nordstadt um eine Anwohnerinitiative kümmert. Und freilich gäbe es von den obligaten Stadtteilbüros und Initiativen zu berichten wie die Glas-Pavillons an der Kurt-Schumacher-Strasse, wo Georgia Sagris Workshops und Mounira Al Solhs „Nassib`s Bakery“ untergekommen sind, oder das Narrowcast House oder das Büro Peppermint, das sich dem Werk des Urbanisten und Peripatologen Lucius Burkhardt verschrieben hat.

VII. – Schluss. Damit betont die documenta 14 ihren Eventcharakter wie keine andere vor ihr. Und es besteht der Verdacht, sie tut dies, im ostentativen Verzicht auf die Präsentation Neuer Medien, vor einem drohenden Bedeutungsverlust der bildenden Kunst. Wo die Originalität des einzelnen Werkes in der Datenflut in Frage gestellt erscheint, bleibt das singuläre Ereignis an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit übrig, als beglaubigte und individuelle Erfahrung, als Residuum authentisch erlebter Welt. Diese d14 hat mehr intuitiv als bewusst gesteuert einen entscheidenden Schritt in diese Richtung getan.

Über Max_Glauner

Lecturer, Researcher, Autor & Cultural Journalist Zürich | Berlin
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