Die beiden Künstler bewegen sich in der ersten Liga eines integren Kunstfeldes: Lucy Skaer, Britin, Jahrgang 1975, Turner-Preis-Nominierte und Willem de Rooij, Niederländer, 1969 geboren, Wahlberliner und seit zehn Jahren Professor an der Frankfurter Städelschule. Was sie eint? Man kann beide künstlerisch einem Romantischen Konzeptualismus zuordnen: Ihre Reduktionen erzeugen Verschiebungen, die sich zu faszinierenden (Un-)Sinnbildern amalgamieren. Für weitergereiste unvergessen, Skaers Ausstellung in der Basler Kunsthalle mit Mauerwand und Walskelett 2009 und für Berliner Museumpatrioten de Rooijs Ausstellung Intolerance 2010, die in der Neuen Nationalgalerie barocke Vogelbilder mit zeremonialem Federschmuck konfrontierte. Zwei tolle Künstler mit hoher Szene-Credibility.
Sonst Gemeinsamkeiten? Nein. Außer, dass Skaer und de Roij nun bis Ende des Jahres mit zwei umfangreichen Einzelausstellungen die zweite Runde der Auftaktveranstaltungen der neuen Kunst-Werke-Leitung bestreiten. Doch was im Kalkül der Kuratoren zu einem Co-Branding hätte führen sollen, zwei Große der Szene vollbringen gemeinsam etwas ganz Großes, gerät zwar nicht zum Desaster, so doch zu einer flachen Veranstaltung, die der Besucher mit einem schulterzuckenden „So-What!“ verlässt.
Dabei ärgert sich der Kunst-Werke-Gänger bereits über die neu geschaffene Eingangssituation, die ihm zumutet, sich durch den Dienstboteneingang zu zwängen, statt wie einst vom Hauptportal des Ausstellungshauses empfangen zu werden. Ist er hier nur noch geduldet? Einmal durch einen Glitzer-Klimper-Vorhang im Foyer hindurch, er indiziert 90er-Hippness-Glamour, wird dem Besucher auf jeden Fall rasch klar, dass nun Schluss mit Lustig und Trallala ist.
Dazu hat man aus einer Londoner Privatsammlung für den ersten Raum de Rooijs 135 x 280 cm große Arbeit Blue to Blue 2012, ein auf einen Holzrahmen gleichmäßig gespanntes Gewebe aus blauen Polyesterfäden, entliehen. Das ist schön anzusehen und scheint etwas mit dem Vitrinen-Tisch daneben zu tun zu haben. Blue Table (2004) präsentiert blau pigmentierte Druckerzeugnisse zu dem einen Raum weiter gezeigten 16mm-Film I´m Coming Home in Forty Days (1997).
Damals filmte der Künstler mit seinem inzwischen verstorbenen Arbeitspartner Jeroen de Rijke bei der Umrundung die Wasserkante eines Eisberges bei Grönland. Der Betrachter wohnt diesen fünfzehn Minuten bei, ein nach wie vor eindrückliches Memento zu Vergänglichkeit und dem Verrinnen von Zeit. 2014 hat de Rooij Grönland erneut besucht und dort das Geheul von Schlittenhunden aufgenommen. Wie der Film von langen Pausen unterbrochen, heulen sie nun in der 12-Kanal Audio-Installation Ilulissat (2014) vierzehn Minuten im abgedunkelten großen Ausstellungssaal um die Wette. Da wird mit großer Kelle angerührt.
Dagegen wirken die Arbeiten von Lucy Skaer ein und zwei Stockwerke höher zierlich und bescheiden und bedienen so unfreiwillig das Klischee züchtiger Kunst aus Frauenhand. Nach einigen Tischlein-Deck-Dich-Arrangements One Remove (2016), 16mm-Filmen Rachel, Peter, Caitlin, John (2010) geht es in den zweiten Stock hinauf, in dem die Auftragsarbeit La Chasse (dt. Die Jagd, 2017) durch auf dem Boden liegende serielle Tonobjekte ebenso an die Niederwildjagd Erich Honeckers als auch an die – Achtung Frauenkunst! – Jagd der Diana denken lässt. Zu allem Überfluss drücken nun auch noch die blanken Ziegel, die man bei der letzten Sanierung in der Decke stehen ließ, auf Skaers kleinteilige Arbeiten. Die kuratorische Hilflosigkeit ist da in Großbuchstaben an die Wand geschrieben.
MAX GLAUNER
Bis 17. 12. 2017 Willem de Rooij Whiteout, bis 7. 01. 2018 Lucy Skaer Available Fonts
KW Institute for Contemporary Art. Auguststraße 69, Mitte. Mi-Mo 11-19, Do 18-21 Uhr, 8/erm 6 €, freier Eintritt Do 18 -21 Uhr & 1. So/Mon.
Zuerst in leicht gekürzter und redaktionell überarbeiteten Version erschienen in zitty – stadtmagazin Oktober 2017