Zillas Mondfahrt. Zilla Leutenegger „I Love You to the Moon and Back” in der Zürcher Galerie Kilchmann

Zilla Leutenegger, Moby Dick, 2022 © the artist and Galerie Peter Kilchmann, Foto: Sebastian Schaub

Zürich – Der Klassik ist die grosse Erzählung eigen, der Romantik poetische Sehnsucht, Ironie und Fragment. Das Biedermeier bescheidet sich im Anekdotischen. Von all dem findet sich im Werk der Zürcher Zeichnerin, Malerin, Video- und Installationskünstlerin Zilla Leutenegger. Nach ihren tollen Ausstellungen in Chur 2021 und Schaffhausen 2022, hier mit Sandra Böschenstein, stellt sie das nun wieder souverän, dramaturgisch klug und anrührend in den grosszügigen Räumen der Galerie Kilchmann mit „I Love You to the Moon and Back“ im MAAG Areal unter Beweis.

Ihr Parcours beginnt mit handwerklich-anekdotischen Augenzwinkern. Im Flur hängt über der langen Holzbank eine Batterie Wasserhähne, 38 Stück in Reihe aus handmodelliertem Ton, wiess glasiert, dergestalt allesamt Unikate, die die Rücklehne der Bank zur Ablaufrinne erklären. Unmerklich doch penetrant tönen Wassertropfen aus einem Lautsprecher. Das harmlose Arrangement kippt ins Reale, damit ins Unheimliche, Unbehauste.

Diese Kippfigur vom scheinbar Vertrauten ins Unvertraute beherrscht Leutenegger meisterlich. Sie begleitet uns vom Anfang bis zum Schluss, im Video und Serien von teils grossformatigen Monotypien, einem Medium, dem sich die Künstlerin in jüngster Zeit angenommen hat. Bemerkenswert, sie verzichtet dabei auf ihr Markenzeichen, die stillen Zimmer, die kargen Interieurs. Es geht ins Offene, zum Mond eben, den Zilla im dritten Raum auf einer monumentalen Videoprojektion als Orbit im Stratosphärenrauschen mit Sonnenbrille und wehendem Blumenschaal umkreist, ‚Behind the Moon‘, 2023, bevor wir in den hinteren Galerieräumen wieder in Monotypien zu Birkenwäldchen mit Mondbällen spielenden Mädchen entführt werden, u.a. ‚Moonrise‘, 2022.

Zuvor aber wird’s wuchtig. Noch das Präludium des tropfenden Wasserhahns im Ohr, geht’s in den Ozean. Im grossen Saal der Galerie warten fünf monumentale querformatige Monotypien, 152 x 250 cm, ‚Bartwal‘, ‚Blauwal‘, ‚Moby Dick‘, ‚Bartwal‘ 2‘ und ‚Buckelwal‘, alle 2022. Die Gravität und Anmut der Tiere findet Entsprechung in der aufwändigen Herstellung der Bilder im Hochdruckverfahren, das für weiche Konturen und charmante Fehlstellen wie weisse Punkte sorgt: Für die grossen Formate gab es keine Presse, sodass die Künstlerin das Atelier verlassen musste und den nötigen Druck – schöne Pointe am Rande – im Freien mit einem Gabelstapler herstellen musste. In diesem Kunstwinter lässt’s sich mit Zillas Mondfahrt erfreut, tief und befreit durchatmen.

Der Text erschein redaktionell überarbeitet zuerst in Kunst Bulletin 3/2023

Zilla Leutenegger, Moony, 2022 © the artist and Galerie Peter Kilchmann, Foto: Sebastian Schaub

Über Max_Glauner

Lecturer, Researcher, Autor & Cultural Journalist Zürich | Berlin
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