Giacometti/ Dalí. Traumgärten

Alberto Giacometti, Projet pour une place, 1931/32, Foto: Peggy Guggenheim Collection, Venice
© Succession Alberto Giacometti / 2023

Zürich – Zwei Kometen treffen sich in den unendlichen Weiten des Alls und winken sich zu. Die Szene auf die Geschichte der klassischen Moderne heruntergebrochen spielt zu Beginn der 1930er-Jahre im Salon der Pariser Aristokraten und Mäzene der surrealistischen Bewegung Marie-Laure und Charles de Noailles. Die Kometen heissen Salvador Dalí und Alberto Giacometti. Sie waren dort im illustren Kreis gern gesehene Gäste. Im zweiten Stock des Chipperfield-Baus des Zürcher Kunsthauses treffen die beiden Künstlerkometen nun in der Ausstellung „Tagträume“ erneut zusammen.

Den Zürcher Ausstellungsmacherinnen und des Pariser Institut Giacometti, wo die Schau zuvor gezeigt wurde, gelingt ein dichter, ja atemberaubender Parcours von gut hundert Objekten, Skulpturen und Zeichnungen aus der surrealistischen Hochzeit Dalís und Giacomettis. Die viszeralen Albtraumwelten des katalanischen Feinmalers wie „Architecture surréaliste“, um 1932, treffen zum ersten Mal in dieser Fülle auf die skulpturalen Fantasien des Bildhauers aus dem Bergell. Seine aggressiv-erotische Bronze „Homme et femme“, 1928/29, öffnete nicht nur dem Katalanen einen produktiven Echoraum.

Doch war da mehr als ein „Hallo“ der Künstlerkometen, mehr als eine gegenseitige Kenntnisnahme und Salongespräche? Gar eine künstlerische Zusammenarbeit, eine Kooperation, wie es die Ausstellungsmacherinnen behaupten? Die Faktenlage ist dünn. Ein von Giacometti und Dalí gemeinsam geschaffenes Werk fehlt. Dass sich beide in unterschiedlicher Weise Traumwelten näherten und sich gegenseitig geschätzt haben – gebongt. Aus wenigen Skizzen, wie Dalís „Parc d’attraction“ 1932, in der eine Plastik Giacomettis auftaucht, und einem Notizbucheintrag des Schweizers – „Das Projekt Dalí jetzt beiseiteschieben“ – eine Kollaboration an einer Gartenskulptur für den Sommersitz der Noailles im südfranzösischen Hyères zu konstruieren, ist jedoch gewagt. Ein Auftrag der Noailles erging im Gegensatz zu einer Stele Giacomettis „Figure dans un jardin“, 1931 entstanden, hierfür nicht. Giacometti entwirft in der Folgezeit das sechsteilige Skulpturenensemble „Projet pour une place“ (1931/32). Nie umgesetzt, ist es lediglich in einem Holzmodell, Skizzen und Fotos von einzelnen Maquetten in Originalgrösse überliefert. Rekonstruiert steht es nun im Zentrum der Ausstellung und die neugierigen Betrachterinnen dürfen raten, wieviel Dalí im Giacometti steckt.

Der Text erschien redaktionell überarbeitet in Kunst Bulletin 6/2023

Über Max_Glauner

Lecturer, Researcher, Autor & Cultural Journalist Zürich | Berlin
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